6 - "They never come back"

Der Rückkampf gegen Ken Norton fand am 10. September 1973 in Los Angeles statt. Ali hatte länger und härter für diesen Kampf trainiert als für das erste Aufeinandertreffen. Trotzdem gelang es ihm nicht zu überzeugen. Wie beim ersten Kampf stand es nach der elften Runde unentschieden und die letze Runde musste entscheiden. Dieses Mal jedoch gewann Ali und nahm erfolgreich Revanche an Norton.
Nach einem unbedeutenden Kampf gegen Rudi Lubbers in Jakarta traf Ali zum zweiten Mal auf seinen Dauerrivalen Joe Frazier, der mittlerweile aber nicht mehr Weltmeister war. Ein bis dahin unbekannter Boxer namens George Foreman hatte Frazier Anfang 1973 auf Jamaika im wahrsten Sinne zerstört, als er ihn sechs Mal in zwei Runden niederschlug und damit neuer Champion wurde. Auch dessen Sieg gegen Ken Norton, der ebenfalls nur zwei Runden durchhielt, bestätigte eindrucksvoll die unglaubliche Schlagkraft von Foreman.
Es ging also um nicht mehr als Alis Ehre, die er mit einem Sieg über Frazier wiederherstellen wollte. Wie beim ersten Ali-Frazier-Kampf versuchten beide Boxer - besonders Ali - den anderen im Vorfeld dazu zu bringen, die Fassung zu verlieren. Fünf Tage vor dem Kampf eskalierte die Situation, als sie bei einem Fernsehauftritt aneinandergerieten. Ali hatte Frazier, der eine Bemerkung über Alis Krankenhausaufenthalt nach dem ersten Kampf gemacht hatte, als "ignorant" bezeichnet, und es wäre beinahe zu einer tätlichen Auseinandersetzung gekommen. Der Kampf selbst war nicht annähernd so brutal wie der erste und Ali gewann einstimmig nach Punkten.
Damit stand einem Kampf Foreman gegen Ali nichts mehr im Wege. Zaire sollte der Austragungsort sein, ein Land im Herzen Afrikas, das lange eine belgische Kolonie gewesen war und jetzt - nach der Befreiung - um internationale Aufmerksamkeit bemüht war. Diktator Mobutu sorgte dafür, dass die beiden Boxer mit fünf Millionen Dollar eine für damalige Verhältnisse astronomisch hohe Börse erhielten.
Während Ali sich in dem Land seiner Vorfahren sichtlich wohl fühlte und wann immer es ging Kontakt zur einheimischen Bevölkerung aufnahm, konnte sich Foreman nicht deutlicher distanzieren - er lebte im Inter-Continental und hielt sich mit Schäferhunden ungebetene Besucher vom Leib. Bei Pressekonferenzen strahlte er lange nicht den Glanz aus, der Ali stets umgab.
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Als die beiden Akteure am 30. Oktober den Ring betraten, ertönte aus sechzigtausend afrikanischen Kehlen der Schlachtruf "Ali boma ye!", was so viel heißt wie "Ali, töte ihn!". Foreman hatte alle Sympathien längst verspielt.
Die Taktik, die Ali in Kinshasa anwendete, war das genaue Gegenteil der Strategie, mit der er zehn Jahre zuvor den Titel gewonnen hatte. War es 1964 noch Alis Ziel gewesen, möglichst keine Treffer zu kassieren und ständig in Bewegung zu bleiben, so zeigte er nun ab der Mitte der zweiten Runde überhaupt keine Beinarbeit mehr und setzte sich freiwillig den "Heumachern" Foremans aus, indem er sich weit in die Seile zurücklehnte, beide Hände vor den Kopf hielt und mit Ellbogen und Armen Rippen und Brust schützte. Obwohl Foreman, wie er später sagte, die härtesten Körpertreffer landete, die er zu schlagen im Stande war, ging Ali nicht zu Boden, Er nahm Schlag um Schlag hin, nur um am Ende jeder Runde Foreman mit schnellen Kombinationen an den Kopf zu überraschen und dem K.o. Stück für Stück näherzubringen. In den letzten dreißig Sekunden der achten Runde war es dann soweit - der müde Foreman unterschätzte Alis verbliebene Schlagkraft und wurde zum ersten Mal in seiner Karriere ausgeknockt.
Damit hatte Muhammad Ali als erster Boxer nach Floyd Patterson das Gesetz des "They never come back" widerlegt und den WM-Titel im Schwergewicht, der ihm sieben Jahre zuvor aberkannt worden war, zum zweiten Mal gewonnen.
Alis nächster Gegner war der 35jährige Chuck Wepner, der sich fünfzehn Runden auf den Beinen hielt, ehe er mit gebrochener Nase und mit blutüberströmtem Gesicht nach einem Niederschlag von Ringrichter Perez erlöst wurde, der den Kampf abbrach. Wepners couragierter Auftritt lieferte die Vorlage für Sylvester Stallones Rocky-Filme.
Nach Wepner schlug Ali Ron Lyle in Las Vegas in der elften Runde k.o. Nur sieben Wochen später kämpfte er erneut, diesmal in Malaysia gegen Joe Bugner, den er nach Punkten besiegte.
Obwohl einige seiner Freunde Ali rieten, mit dem Boxen aufzuhören, konnte er sich nicht von der Beschäftigung losreißen, die für ihn über zwanzig Jahre lang Lebensinhalt gewesen war. Es sollte der dritte und letzte Kampf Alis gegen Joe Frazier folgen, der die beiden ersten Aufeinandertreffen an Brutalität und Dramatik weit übertraf und zusammen mit dem ersten Liston-Kampf und dem Rumble In The Jungle zu den großen drei Kämpfen in der Karriere Muhammad Alis zu zählen ist.
Im Vorfeld verärgerte Ali Frazier, indem er ihn Gorilla nannte und immer einen kleinen Plastikaffen in der Tasche hatte, den er gelegentlich herausnahm, um ihn mit Schlägen zu traktieren. Auch dadurch, dass er Fraziers Slang nachahmte und verspottete, zog er sich dessen Hass zu.
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Der Kampf fand am 1. Oktober 1975 um viertel vor elf morgens in Manila, der Hauptstadt der Philippinen statt. 25 000 Zuschauer verfolgten den Kampf im Coliseum. Die ersten drei Runden gehören Ali, der Frazier nach Belieben dominiert. Dann ermüdet der Champion und Frazier holt in den nächsten Runden auf. In Runde zwölf und dreizehn bombardiert Ali den Herausforderer mit Schlägen (Frazier wird 43 mal im Gesicht getroffen), doch der fällt nicht um. Auch in Runde vierzehn das gleiche Bild, Frazier wankt zwar, aber geht nicht zu Boden. Nach der vierzehnten Runde sieht Fraziers Gesicht traurig aus, beide Augen sind zugeschwollen, er kann kaum etwas sehen. Fraziers Trainer stoppt den Kampf.
Kurz nachdem Alis Sieg verkündet wurde, brach der Gewinner in seiner Ecke zusammen. Dieser Kampf hatte ihm alles abverlangt. Später sagte er, näher könne man dem Tod nicht kommen. Frazier gab zu, dass Ali der verdiente Sieger war. "Ich habe ihm Schläge verpasst, die ein Gebäude zum Einsturz gebracht hätten"
Der dritte Kampf Ali gegen Frazier setzte einer vier Jahre dauernden Rivalität ein Ende, die in der Geschichte des Boxens ihresgleichen sucht und in der sich die beiden Gegner insgesamt 41 Runden lang bekämpften. Statistisch betrachtet hat Ali das Duell für sich entschieden, doch heute können wir mit Recht fragen: Was sind zwei zu eins Siege im Vergleich zu seiner Gesundheit, die er dabei aufs Spiel setzte? Vielleicht hätten die gesundheitlichen Schäden, an denen Ali heute leidet, eingedämmt werden können, wenn er nach dem Thrilla in Manila zurückgetreten wäre, aber niemand kann es mit Bestimmtheit sagen.
Ali setzte seine Karriere fort und boxte in den ersten sechs Monaten des Jahres 1976 dreimal - gegen den Belgier Jean-Pierre Coopman, den er in der fünften Runde ausknockte, gegen Jimmy Young, den er trotz mangelnder Fitness (Ali wog 104 kg) nach Punkten besiegte und gegen den Engländer Richard Dunn (K.o. in der 5. Runde).
Dann folgte einer der peinlichsten Auftritte  in Alis Karriere. Er trat in Tokio für zwei Millionen Dollar gegen den japanischen Wrestler Atonio Inoki an. Was als Schaukampf geplant war, endete fast in einer Tragödie. Der Ringrichter erklärte den Kampf nach fünfzehn Runden zu einem Unentschieden; Inoki hatte über die gesante Zeit versucht, Ali die Beine wegzuziehen, der seinerseits ganze sechs Schläge ansetzte. Doch der langweilige Kampf hatte ein medizinisches Nachspiel. Inoki hatte durch seine Tritte Blutgefäße in Alis Beinen zerrissen und weil dieser sie nicht entsprechend behandeln ließ, wäre seine Karriere um ein Haar beendet gewesen.
Am 28. 9. 1976 kämpfte Ali ein drittes Mal gegen Ken Norton. Obwohl er in ziemlich guter körperlicher Verfassung war, gelang es dem Weltmeister wieder einmal nicht zu überzeugen. Letztlich gewann Ali nur durch ein Mißverständnis in Nortons Ecke. Vor der letzten Runde stand der Kampf unentschieden, doch Nortons Trainer, überzeugt von einem komfortablen Punktevorsprung ihres Schützlings, wiesen ihn an, sich zurückzuhalten. So verschenkte er, der eindeutig der frischere der beiden war, die letzte Runde und den Sieg.
Obwohl Ali mittlerweile nur ein Schatten seiner glorreichen Tage im Ring war, stand er sieben Monate nach dem Kampf gegen Norton erneut im Ring, gegen einen unbekannten Spanier namens Alfredo Evangelista, den er nach Punkten besiegte.
In der Zwischenzeit ging Alis zweite Ehe ihrem Ende entgegen. Bereits seit seinem Kampf gegen Foreman hatte Ali ein Verhältnis mit Veronica Porche, die eine von vier poster girls war, die für den Rumble in the jungle warben. Die Beziehung führte schließlich 1976 zur Scheidung von Belinda. Am 19. Juni 1977 heiratete Ali Veronica.
Im September 1977 verteidigte Ali seinen Titel gegen Earnie Shavers im ausverkauften Madison Square Garden. Obwohl er in der zweiten Runde schwer angeschlagen war, gelang es Ali, sich zu erholen und den Kampf für sich zu entscheiden.
Eine Woche nach diesem Kampf erklärte sich Alis langjähriger Arzt Ferdie Pacheco nicht mehr dazu bereit, für die Gesundheit Alis die Hand ins Feuer zu legen, und verließ den Champion.
Alis nächster Gegner war Leon Spinks, ein Neuling, der erst sieben Profikämpfe hinter sich hatte und dem niemand eine Chance einräumte, den großen Ali besiegen zu können.



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