7 – Aller guten Dinge sind drei

Ali trainierte wohl für keinen Kampf weniger als für das erste Aufeinandertreffen mit Leon Spinks. Er begann das Training mit einem Gewicht von 110 kg und sparrte insgesamt nur etwas mehr als zwanzig Runden.
Diese Einstellung sollte sich rächen. Ali versuchte wieder einmal mit der Rope-a-dope-Taktik Erfolg zu haben, doch diesmal wirkte sie nicht mehr. Spinks ermüdete einfach nicht und bearbeitete unerbittlich Alis Körper und Arme. Als Ali den Kampf wenden wollte, ließ es sein Körper nicht zu. Die Punkterichter werteten den Kampf 2:1 für Spinks und Muhammad Ali hatte den WM-Titel das erste und einzige Mal im Ring verloren.
In Thomas Hausers Biographie äußert sich Ali zu dieser Niederlage: „Von allen Boxkämpfen, die ich verlor, war die Niederlage gegen Spinks die schmerzhafteste. Und zwar, weil es mein eigener Fehler war. Leon hat sauber gekämpft, er hat sein Bestes gegeben. Doch es war peinlich, dass jemand mit so geringen boxerischen Fähigkeiten mich schlagen konnte.“
Ali war nach dem Kampf entschlossen, sich den Titel zurückzuholen. Obwohl die WBC Spinks den Titel aberkannte, weil er ihn gegen Ali und nicht gegen Ken Norton verteidigte, wurde ein Rückkampf vereinbart – es blieb ja noch die WBA-Version des Titels.
Während Spinks die Vorzüge genoss, die das Dasein als Champion mit sich brachte – er wurde unter anderem mit Kokain erwischt – quälte sich Ali, um in Form zu kommen. Ali kündigte vor dem Kampf, der am 15.9.1978 stattfinden sollte, an, diesmal keine „Mätzchen“ machen zu wollen, kein Rope-a-dope oder ähnliches, sondern Spinks auf Distanz halten. Das klappte auch verhältnismäßig gut – Spinks fand kein Mittel gegen Alis Klammern. Trotzdem war der Kampf ziemlich langweilig und lebte hauptsächlich von der Spannung, die ihn umgab. Ali, der das Geschehen weitgehend bestimmte, siegte einstimmig nach Punkten und gewann somit als erster Boxer dreimal die Weltmeisterschaft im Schwergewicht.
Nach diesem Kampf erklärte Ali seinen Rücktritt vom Boxsport.
Ali bereiste in der Folgezeit die ganze Welt – er wurde von Staatsoberhäuptern und Politikern empfangen und geehrt. Auch nach Russland verschlug es ihn, wo er mit Leonid Brezhnev zusammentraf. Im Februar 1980 wurde Ali von Präsident Carter beauftragt, in Afrika für den Olympia-Boykott der USA zu werben. Mit diesem Unterfangen hatte er allerdings keinerlei Erfolg.
Nach dieser unglücklichen Vermittlungstätigkeit plante Ali in den Ring zurückzukehren, obwohl ihm viele Vertraute (darunter seine Mutter) davon abrieten. Neben Geld und Ruhm war Alis Liebe zum Boxsport wohl mitverantwortlich für diese Entscheidung. Sein Gegner sollte Larry Holmes sein, Alis ehemaliger Sparringspartner, der nun Weltmeister war. Dennoch war Alis Kampfbörse mit acht Mio. Dollar viermal so hoch wie Holmes‘.
Weil in den Medien wiederholt Zweifel an seiner Gesundheit auftauchten, ließ Ali sich im Juli in der Mayo Klinik in Minnesota untersuchen. Obwohl die untersuchenden Ärzte ein Loch in einer Membran im Gehirn feststellten, Ali Probleme hatte, mit dem Zeigefinger bei geschlossenen Augen seine Nase zu berühren und er selbst sagte, er habe in den letzten zehn Jahren etwas undeutlich gesprochen, vermerkten sie in ihrem Bericht, sie sähen keinen Grund, warum er nicht boxen sollte. Dass diese Symptome eindeutige Vorzeichen einer schlimmen Krankheit waren, die durch Schläge auf den Kopf verschlimmert werden konnten, erkannten die Ärzte nicht.
Alis Gewicht war bei Trainingsbeginn 115 kg. Doch schon bald verlor er Kilo um Kilo und es sah so aus, als sei er in der besten körperlichen Verfassung seit Jahren. Doch nicht hartes Training oder eine spezielle Diät waren die Ursache für Alis Schlankheit sondern ein Medikament, das ihm Herbert Muhammad’s Arzt verschrieben hatte, das eine Unterfunktionalität der Schilddrüse beheben sollte, die Ali in Wirklichkeit gar nicht hatte. Dieses Medikament griff in den Stoffwechsel von Alis Körper ein. Infolgedessen nahm er mehr und mehr ab, fühlte sich aber zunehmend schon nach geringer Anstrengung erschöpft.
Ali wog schließlich noch 98 kg, als er den Ring betrat. Doch er war nicht in der Verfassung, einen Boxkampf zu bestreiten. Sein Körper war stark entwässert und bereits die geringste Anstrengung ermüdete ihn. Es war bereits nach wenigen Runden klar, dass Ali keine Chance hatte. Immer wieder signalisierte Holmes dem Ringrichter, den Kampf abzubrechen, denn er wollte Ali nicht verletzen. Nach der zehnten Runde warf Angelo Dundee endlich das Handtuch. „Es war kein Kampf; es war eine Hinrichtung“, schreibt Thomas Hauser und er hat wohl recht.
Ferdie Pacheco sagte später, Ali habe Glück gehabt, dass er diesen Kampf überlebte. Im Nachhinein betrachtet erscheint es in der Tat unvorstellbar, dass der Kampf Ali gegen Holmes überhaupt stattgefunden hat.
Doch wer gedacht hatte, Ali hätte durch diese schmerzvolle Niederlage erkannt, was andere schon einige Zeit vorher bemerkt hatten, nämlich dass er zu alt war, um zu boxen, wurde im Herbst 1981 eines besseren belehrt. Ali wollte, fast 40jährig, noch ein Comeback feiern, gegen Trevor Berbick auf den Bahamas, weil in den USA kein Austragungsort gefunden werden konnte.
Es war wahrlich kein würdiges Ende für eine so große Karriere. Zwar wurde Ali auch in seinem letzten Kampf nicht ausgeknockt, doch er verlor einstimmig nach Punkten.
Der Kampf gegen Trevor Berbick sollte ein für allemal der letzte in der Karriere des Muhammad Ali gewesen sein. Nach siebenundzwanzig Jahren hängte er die Boxhandschuhe an den sprichwörtlichen Nagel.


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